Refugio München hält auch im Sturm Kurs

Bericht der Geschäftsführung
Jahresbericht 2024

In 10 Jahren hat sich der Diskurs über Geflüchtete massiv gewandelt. Wurden wir 2015 bisweilen sogar als Engel glorifiziert (was aus unserer Sicht nie passend war), müssen sich Mitarbeitende von Refugio München in manchen Kreisen inzwischen rechtfertigen, warum sie „solchen Menschen“ helfen. Der Bedarf an unserer Hilfe ist ungebrochen hoch. Wir halten Kurs, auch wenn der Sturm manchmal gewaltige Wellen schlägt.

Zweifellos ein positiver Höhepunkt in 2024 war für uns die Feier zum 30jährigen Bestehen von Refugio München. Über 500 Unterstützer*innen, Vertreter*innen von Politik und Verwaltung, Stiftungen, Kirchen, Partnerorganisationen und einfach viele nette Menschen haben mit uns gefeiert. Natürlich ist der Anlass unserer Arbeit, die zwangsläufige Flucht und die Verfolgung vieler Menschen, kein Grund zum Feiern. Aber im Laufe der 30 Jahre konnten wir so viele Menschen begleiten, die zum festen Bestandteil unserer Gesellschaft wurden und ein gutes Leben in Deutschland führen.

In unserem Leitbild steht dazu:

Wir arbeiten daran, dass kein Unterschied mehr gemacht wird zwischen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung und alle dieselben gesellschaftlichen Angebote wahrnehmen können.

Und wenn ein junger Klient aus Afghanistan, der zu Beginn bei Refugio München vor lauter Ängsten kaum jemandem ins Gesicht blicken konnte, den Ausbildungsplatz als Mechatroniker erhalten hat und mit Freude in der Ausbildung steht, dann ist das einfach ein Grund zum Feiern. Oder wenn die alleinerziehende Mutter aus dem Kongo, die ständig die Stimmen und Bilder ihrer Vergewaltigung präsent hatte, irgendwann sagen kann, dass sie jetzt wieder die Stimme ihrer Tochter hört, weil sie die Vergangenheit beiseite legen konnte, dann ist das einfach ein Grund zum Feiern. Und so können wir aus 30 Jahren so viele Geschichten erzählen, und jede ist es wert, dass wir feiern.

Auch in 2024 waren die Bedarfe nach unseren Angeboten weitaus höher, als wir anbieten konnten. Das betraf die Anmeldungen bei Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, aber ebenso das muttersprachliche Elterntraining und die Refugio Kunstwerkstatt. Angesichts drohender Finanzkürzungen von öffentlichen Zuschüssen und stagnierenden Spenden bauten wir keinen Bereich aus. Ausnahme ist das psychosoziale Behandlungszentrum in Augsburg, das wir Januar 2025 mit eigenen Räumen und zusätzlichem Personal eröffneten. In 2024 erfolgte dafür die erfolgreiche Vorarbeit.

Mit großer Dankbarkeit erhielten wir zum Ende des Jahres 2024 die Nachricht, dass die Stadt München ihren Zuschuss für die psychosoziale Arbeit mit Geflüchteten aus der Ukraine verstetigt. Damit können wir nach mehreren Jahren Krieg auf einen geänderten Bedarf dieser Menschen nach Psychotherapie angemessen reagieren.

In 2024 konnten wir eine Studie zur Wirksamkeit unserer Arbeit im Therapiebereich veröffentlichen. Unsere Refugio München Forschungsabteilung arbeitet stetig an der Evaluation unserer therapeutischen Arbeit, damit wir die psychosozialen Angebote für Geflüchtete innovativ weiterentwickeln können. Dabei arbeiten wir in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Psychologie von Prof. Ehring der LMU München. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Arbeit von Refugio München einen wichtigen Beitrag zur psychischen Gesundheit von Menschen mit Fluchterfahrung leistet. Entscheidend für den Erfolg ist das Zusammenspiel von Therapie, sozialer Beratung und Kontext-, bzw. Kultursensibilität. Es lohnt sich, in die spezialisierte psychosoziale Beratung und Behandlung Geflüchteter zu investieren. Die Studie haben wir auf unserer Homepage veröffentlicht.

Eine große Belastung und Herausforderung stellte 2024 der zunehmende Rassismus gegenüber unseren Klient*innen und auch Angestellten dar, die wegen ihres Aussehens als Fremde und Nichtdeutsche betrachtet werden. Es ist widerwärtig, wie häufig und offen abwertende und beleidigende Äußerungen in aller Öffentlichkeit erfolgen. Es beschäftigt uns, wie wir sowohl Klient*innen als auch die Angestellten dabei stärken können, mit diesen abwertenden Erfahrungen umzugehen.

Der öffentliche Diskurs auf der Bundesebene in Politik und Medien war in 2024 sehr stark von Ablehnung gegenüber den Anliegen und Bedarfen von Geflüchteten geprägt. Es gab zahlreiche Verschärfungen im Sozial- und Asylrecht. Das setzt sich in 2025 fort. Auch der Ton in der Diskussion ist geprägt von einer abwertenden Rhetorik. Empathie, Menschenrechte oder Nachdenklichkeit werden als Schwäche ausgelegt. Natürlich gibt es auch weiter diejenigen, die zuhören und die ihr Handeln in erster Linie nach den Grundsätzen von Mitmenschlichkeit ausrichten. Aber Art. 1 unseres Grundgesetzes scheint in unserer Zeit eine Herausforderung zu sein: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Wir danken herzlich allen Angestellten, Honorarkräften, Ehrenamtlichen, Engagierten, Zuschussgeber*innen, Förder*innen und Spender*innen, die unsere Arbeit ermöglicht haben! Nur mit Ihrer Unterstützung konnten wir 2.787 Geflüchtete begleiten und unterstützen. Mit Ihrer Hilfe konnte viel Gutes geschehen. Danke für Ihren Einsatz, Ihre Unterstützung und Ihre Verbundenheit! Wir halten Kurs!

Annette Hartmann
Geschäftsführer bei Refugio München Jürgen Soyer

Annette Hartmann und Jürgen Soyer, Geschäftsführung Refugio München