Ein kleines Team leistet Großes – Ein Arbeitstag in der Außenstelle Landshut

Außenstelle Landshut
Jahresbericht 2024

Das Landshuter Refugio München Team dient im Großraum Niederbayern geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen häufig als einzige Beratungs- und Anlaufstelle.

Es ist kurz vor sieben, als Miriam Geiser in den Zug steigt. Ihr Ziel: die Außenstelle von Refugio München in Landshut. Dreimal pro Woche pendelt sie dorthin, um geflüchtete Erwachsene psychotherapeutisch zu betreuen. Seit 2019 ist sie Teil des Teams. Sie hat internationale Erfahrung, arbeitete zuvor bei „Ärzte ohne Grenzen“ in Äthiopien – heute nutzt sie ihre Expertise für die psychosoziale Versorgung Geflüchteter im niederbayerischen Raum.

Um 7:30 Uhr kommt Miriam in den Räumlichkeiten in Landshut an. Die ersten Stunden im Büro gleichen dem Arbeitsalltag vieler: Mails lesen, Termine prüfen, Unterlagen für die anstehenden Sitzungen vorbereiten. Ab neun Uhr beginnen die Therapiesitzungen. Miriams Klient*innen kommen aus verschiedenen Krisen- und Kriegsregionen weltweit. Nun leben die Geflüchteten in Gemeinden rund um und in Landshut.

9:00 Uhr Die erste Sitzung am Tag beginnt. Frau B., eine junge Mutter aus Nigeria sitzt Miriam gegenüber. Sie lebt mit ihren Kindern in einer Gemeinschaftsunterkunft. Vor kurzem wurde eine Nachbarin, ebenfalls alleinerziehende Mutter aus Nigeria, abgeschoben, weshalb Frau B. stark verunsichert ist. „Sie kommt regelmäßig, aber es fällt ihr schwer, in der Therapie präsent zu sein. Neben den traumatischen Erlebnissen nimmt die aktuelle Lebenssituation viel Raum ein.“ Miriam arbeitet mit ihr an Techniken zur Emotionsregulation und der Abgrenzung der eigenen Situation. Statt der eigentlich geplanten Therapieinhalte, nutzt sie die heutige Sitzung, um die Angst bezüglich einer drohenden Abschiebung zu lindern.

Im Anschluss folgt um 10:00 Uhr die zweite Sitzung. Viele von Miriams Patient*innen haben nicht nur psychische Belastungen, sondern auch körperliche Beschwerden. Dies ist auch bei Frau M. der Fall, die unter den körperlichen und psychischen Folgen weiblicher Genitalverstümmelung (FGM/C) leidet. Miriam vermittelt sie im Laufe des Gesprächs an eine spezialisierte Anlaufstelle für Betroffene von FGM/C. „In München fallen mir spontan drei Anlaufstellen ein, für den Großraum Niederbayern nur eine einzige“. Dies spiegelt auch die Angebotslage psychosozialer Beratung für Geflüchtete wider. Viele nehmen weite Anfahrtswege auf sich: „Einige fahren fast zwei Stunden – pro Strecke“, sagt Miriam. „Wenn Busse ausfallen und Umstiege nicht klappen, müssen Termine verschoben werden oder fallen spontan aus“.

Um 11:00 Uhr folgt die dritte und letzte Sitzung an diesem Tag. Im Mittelpunkt der heutigen Sitzung steht das Thema Schlafstörung. Herr A. berichtet hier dank der therapeutischen Maßnahmen über Fortschritte. Doch auch bei Herrn A. sind es die tagesaktuellen Hürden, die den therapeutischen Fortschritt verzögern. Herr A. wurde eine Knie-Operation trotz anhaltender Schmerzen verwehrt. Die Sozialpädagogin von Refugio München in Landshut, die zusammen mit Miriam Herrn A. betreut, schreibt zusammen mit ihm einen Widerspruch. „Solche Situationen verdeutlichen die enge Zusammenarbeit bei uns im Team. Psychotherapie und Sozialberatung gehen Hand in Hand.“ Am Ende der Sitzung kommt es noch zu einem eindrücklichen Moment für Miriam. Zur Regulierung der Alpträume soll Herr A. sich gedanklich ein positives inneres Bild vorstellen und dieses dann aufmalen. Das Bild zeigt eine Pflanze. Es ist die Pflanze, die in dem Büro von Miriam steht. Für Herrn A. ist es das Behandlungszimmer von Miriam, das ihm Ruhe und Sicherheit vermittelt.

Mittags, nach Miriams letzter Sitzung, setzt sich das Team noch zum Mittagessen zusammen. Der Arbeitstag endet mit der Dokumentation der Therapiesitzungen und dem Verschicken von Emails mit Informationen an Kolleg*innen, bevor Miriam sich um 14 Uhr wieder mit dem Zug auf den Heimweg macht.

Das Team der Außenstelle Landshut