Beats und Gemeinschaft

Malik aus der Refugio Kunstwerkstatt

Malik macht Musik in der Refugio Kunstwerkstatt. Wenn er erzählt, merkt man sofort: Er ist jemand, der viel erlebt hat, aber mit einer beeindruckenden Offenheit und Klarheit auf sein junges Leben blickt

Als 14-Jähriger kam er allein nach Deutschland, durchlebte schwere Zeiten und psychische Krisen. Mit Jakob Weiß aus der Refugio Kunstwerkstatt spricht er über das, was ihn geprägt hat: Trauma, Stärke, Humor und die Bedeutung von Gemeinschaft.

Malik, wie bist du zur Refugio Kunstwerkstatt gekommen?

Ich bin mit 14, also vor acht Jahren, nach Deutschland gekommen. Die ganze Geschichte ist sehr kompliziert, ich konnte nicht bei meiner Familie bleiben. Ich habe damals im Waisenhaus gelebt und da meinte jemand, ich könnte mal hier vorbeischauen. Ich bin nicht dankbar für alles, was in meinem Leben passiert ist – aber dafür, dass ich hierherkommen konnte.

Das ist eine richtig starke Sichtweise. Psychisch ging es dir damals aber nicht gut, oder?

Ich habe getan, was nötig war, um mental, psychisch und körperlich zu überleben. Zum Beispiel Fußball gespielt. Musik ist für mich ein noch besserer Ausgleich: Man hat mit Menschen zu tun, aber auf eine andere Art. Dann habe ich im Klinikum ein FSJ (Anm.d.R.: Freiwilliges Soziales Jahr) absolviert – schon als Kind wollte ich Arzt werden. Während des FSJ ist bei mir wirklich der Wille entstanden, ernsthaft etwas zu erreichen. Aber dann kam die harte Realität. Wenn man mit Traumata aufwächst und die nicht verarbeitet sind, holen sie dich irgendwann ein. Ein paar Monate später konnte ich psychisch nicht mehr, dann kam die Psychose und ich wurde in die Klinik gebracht.

Wie würdest du die Psychose beschreiben?

Stell dir extreme Paranoia vor, zehnmal stärker – und das nonstop über zwei Monate. Ich konnte niemandem mehr trauen, nicht mal meinen Betreuern. Ganze Wochen sind verschwommen, wie ausgelöscht. Ich lebte, ohne zu merken, dass ich lebte. Man sitzt da, tausend Gedanken gleichzeitig – und am Ende bleibt nichts davon. Ich konnte nicht mal einfache Texte lesen, weil nichts Sinn ergab. Schlafen und Essen waren unmöglich.

Du warst zwei Monate in der Klinik?

Genau. Im Anschluss sollte ich in eine Tagesklinik gehen. Dort ging es um Wiedereingliederung: Ergotherapie, Arbeitstherapie. Währenddessen wurde endlich ein Therapieplatz für mich gefunden, und irgendwann kam das Leben zurück. Ich konnte wieder reden, wieder lachen, wieder Glück empfinden. Vorher war alles tot.

Malik auf der Bühne – Musik ist sein Leben.

Zu dieser Zeit bist du zur Refugio Kunstwerkstatt gekommen.

Nach der Psychose war es anfangs sehr schwer, wieder Musik zu machen. Aber in der Kunstwerkstatt fühlte sich das an wie ein Paradies: Beats bauen, aufnehmen, veröffentlichen, Gemeinschaft erleben. Ich war super motiviert, habe Fotos organisiert, Releases vorbereitet und angefangen, über TuneCore Musik hochzuladen. Seitdem kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als Musik zu machen – Songs schreiben, Videos drehen, auftreten. Und was ich jetzt schreibe, hat Sinn, ist strukturierter. Ehrlich gesagt bin ich heute ein ganz anderer Mensch. Vernünftiger. Früher war ich immer hektisch, wollte sofort los, dies und das. Heute nehme ich mir Zeit, bringe auch mal etwas zu essen mit und genieße das Zusammensein mit den Leuten. Das ist für mich viel wertvoller.

 

 

 

 

Und dann hast du eine Ausbildung angefangen?

Ich wollte unbedingt im medizinischen Bereich bleiben und wurde für eine Ausbildung zum MFA (Anm.d.R.: Medizinischer Fachangestellter) angenommen. Ich war so stolz, dass ich mich nicht unterkriegen ließ. Der Übergang ins Arbeitsleben war allerdings hart. Aber ich will die Zukunft besser machen. Die Gegenwart ist mein Werkzeug, um mir diese Zukunft aufzubauen.

 

Und wahrscheinlich weißt du heute auch besser, warum du Musik machst, oder?

Genau. Ich versuche, auch in ernste Themen etwas Humor reinzubringen, damit Leute schmunzeln können. Musik und die Refugio Kunstwerkstatt haben mich extrem geprägt. Früher habe ich Menschen schnell in Schubladen gesteckt. Heute versuche ich, offen zu sein, Menschen wirklich kennenzulernen. Nett sein kostet nichts – und meistens bekommt man es zurück.

Absolut. Offenheit ist der krasseste Flex überhaupt.

Genau. Schwierig ist auch, sich selbst nicht zu stigmatisieren. Das haben wir auch in der Therapie gelernt: Selbststigmatisierung vermeiden. Für mich bedeutet das, die Balance zu halten – in allem. Nicht immer nur Einsen schreiben, aber auch nicht nur Sechser. In der Kunstwerkstatt wird das auch so gelebt. Diese stabile Mitte, wie meine Betreuerin immer sagte. Heute verstehe ich, was sie meinte.

Das ist doch ein starkes Schlusswort. Danke dir für das Gespräch.

 

Das Gespräch führte Jakob Weiß von der Refugio Kunstwerkstatt