Schutzlos auf der Flucht – unbegleitete minderjährige Geflüchtete

Fachbereich für Kinder und Jugendliche
Jahresbericht 2024

Rund 40 Prozent der weltweit Geflüchteten sind Kinder und Jugendliche – viele von ihnen sind ganz auf sich allein gestellt. Ende 2024 befanden sich in Deutschland etwa 25.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in der Obhut der Jugendämter.

Unbegleitete Kinder und Jugendliche sind den Gefahren auf der Flucht besonders schutzlos ausgeliefert und kommen oft schwer traumatisiert in Deutschland an. Unser Fachbereich für Kinder und Jugendliche betreut einige junge Klient*innen, die minderjährig ohne Eltern gekommen sind. In der Regel werden sie von ihren Betreuungspersonen der Jugendhilfe bei uns angemeldet.

Drei Jahre auf sich allein gestellt

Ahmad aus Afghanistan ist einer von ihnen. Er kam 2024 mit 17 Jahren in Deutschland an, in den drei Jahren seiner Flucht war er ganz auf sich selbst angewiesen. Ihm war sein psychischer Zustand anzusehen: Er war bedenklich untergewichtig, weil er aufgrund der Traumafolgestörungen kaum essen wollte. In seiner Wohngruppe außerhalb Münchens fehlte eine konstante Betreuung, die auf seine Ernährung hätte achten können. Schließlich wurde er wegen massiver Albträume, starker Erschöpfung und Suizidgedanken bei Refugio München angemeldet. Zunächst musste aber die massive Unterernährung angegangen werden: „Er hat jemanden gebraucht, der dafür sorgt, dass er genug isst.“, erzählt seine Therapeutin. Dann erst können andere Themen in der Therapie behandelt werden. Wäre Ahmad mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen, hätten sie in die Therapie mit einbezogen werden können. Doch ohne familiären Rückhalt liegt die gesamte Verantwortung bei den Fachkräften der Jugendhilfe.

Der Übergang zur Volljährigkeit ist eine kritische Phase

Eine der größten Herausforderungen in der Beratung war die Stabilisierung seines Alltags – insbesondere, weil Ahmad kurz vor seinem 18. Geburtstag stand. Mit der Volljährigkeit endet in vielen Fällen die Unterstützung durch die Jugendhilfe. Seine Sozialpädagogin kennt die Problematik gut: „Diese Phase braucht wirklich eine gute Begleitung, da kann es die Jugendlichen zerbröseln. Man muss auch viel in die Beratung der Betreuer*innen investieren, weil Wissen und Erfahrung sehr unterschiedlich sind.“

Wie es nach dem 18. Geburtstag weitergeht, hängt stark vom Wohnort ab. In München dürfen viele unbegleitete minderjährige Geflüchtete auch nach Erreichen der Volljährigkeit in der Jugendhilfe bleiben. In anderen Kommunen ist das anders. Ahmad musste in eine Unterkunft für Wohnungslose ziehen – eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber*innen kam wegen seines bereits anerkannten Aufenthaltsstatus nicht infrage.

Ohne Eltern, ohne Halt und immer noch Teenager

„Aber wenn 18-Jährige plötzlich in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen, sind sie genauso auf sich allein gestellt.“ sagt seine Sozialpädagogin. „Er braucht einfach Menschen, die ihn begleiten“. Sie befürchtet, dass Ahmad nun die Schule abbrechen könnte, um Geld zu verdienen. Viele geflüchtete Jugendliche drängen auf Arbeit – aus dem Wunsch heraus, ihre Familien finanziell zu unterstützen oder sie eines Tages nachholen zu können. „Doch gerade beim Familiennachzug können sie meist wenig tun. Wichtiger wäre es, dass sie hier ein stabiles Leben aufbauen – was ohne Eltern und familiäre Unterstützung extrem schwer ist.“

Fortschritte durch intensive Begleitung

Ahmad wohnt jetzt zwar in einer Wohnungslosenunterkunft zwischen erwachsenen Männern, doch aufgrund der Intervention von Refugio München wurde ihm vorübergehend noch ein Erziehungsbeistand ermöglicht. So hat er erstmal die Kurve bekommen: Er hat zugenommen, wirkt nicht mehr so erschöpft, ist aktiver und offener. Er schläft nachts besser und kann sich in der Schule konzentrieren. Zusätzlich arbeiten möchte er aber auch – eine weitere Herausforderung für Therapie und Beratung, die darauf achten müssen, dass er sich nicht selbst überfordert. Und der Erziehungsbeistand fällt demnächst weg, dann wird der Jugendliche im Alltag auf sich gestellt sein.

Inzwischen drängen auch andere Themen als Flucht und Vergangenheit in den Vordergrund, erzählt seine Therapeutin: „Das Thema Liebe wird immer wichtiger. Er ist eben auch nur ein junger Mensch, der angenommen, geliebt und respektiert werden möchte.“

Das Team im Fachbereich für Kinder und Jugendliche