Mental Health Center Ukraine (MHCU)
Jahresbericht 2024
Das Mental Health Center Ukraine (MHCU) richtet sich im Gegensatz zu allen anderen Angeboten bei Refugio München ausschließlich an Menschen eines Herkunftslandes. Das war sinnvoll, da die Kriegs- und Fluchterlebnisse der Menschen aus der Ukraine noch sehr frisch waren und so der Fokus stark auf der Akuthilfe und Stabilisierung lag.
Maria Heller hat als Kunsttherapeutin zahlreichen Kinder aus der Ukraine geholfen, die Schrecken des Krieges und den Verlust der Heimat zu verarbeiten.
Maria, wie hat sich der Fokus des MHCU im Lauf der Zeit verändert?
Am Anfang stand der Krieg im Vordergrund und die Wut auf Russland. Das haben die Kinder auf ganz vielen Bildern in der Kunsttherapie dargestellt. Im Lauf der Zeit haben sich die Themen verändert. Es ging nicht mehr so sehr um die Wut gegen den Angreifer, sondern zunehmend um Trauer und Verluste – der Heimat, der vertrauten Umgebung, nahestehender Menschen und der Familie. Für viele Kinder war es auch sehr schlimm, dass sie ihre Haustiere zurücklassen mussten. Nach und nach kamen dann auch die Schwierigkeiten zu Tage, die sie vielleicht schon vorher hatten, wie Konzentrationsprobleme in der Schule, Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle oder familiäre Konflikte.
Was waren die besonderen Herausforderungen?
Es gab viele Kinder, die Ihre Heimat, Freund*innen oder Familie so vermisst haben, dass sie nicht in Deutschland bleiben wollten. Die waren ständig im inneren Widerstand und wollten auch die deutsche Sprache nicht lernen. In der Kunsttherapie konnten sie sich aber auf das Gestalterische einlassen und man kann da auch viel nonverbal ausdrücken. Ich habe die Familien oft bewundert, weil sie bei all der Tragik Haltung bewahrt haben und nicht in totale Hoffnungslosigkeit verfallen sind.
Was unterscheidet die Therapie der Menschen aus der Ukraine von Geflüchteten aus anderen Ländern?
In der Therapie geht viel um eigene Ressourcen, also was bringen die Menschen mit, das sie stärkt. Die Kinder in der Ukraine hatten bis zum Krieg ein sicheres Leben und dann kam sehr plötzlich der Krieg. Der plötzliche Verlust von Freund*innen und vertrauten Menschen hat sie aus der Bahn geworfen. Aber man kann noch ganz gut auf die vorher ausgebildeten Ressourcen zurückgreifen. In anderen Ländern bestand die Bedrohung meist viel länger oder hat sich zunehmend entwickelt.
Du machst Kunsttherapie, wie läuft die ab?
Wir haben zum Beispiel ein sehr großes Papier genommen, auf dem jedes Kind einen eigenen Bereich hatte, wo es sich selbst darstellen konnte. Dabei geht es darum, sich selbst zu zeigen, was ist mir wichtig, wer bin ich – wie eine Visitenkarte. Und dann konnten alle Kinder gemeinsam den Zwischenraum auf dem Papier ausfüllen. Das schafft eine Verbindung, die die eigenen Stärken mitnimmt.
Wir haben auch Tiere mit Eigenschaften modelliert, die die Kinder selbst gerne hätten. Das dient der Stabilisierung und die Tiere sind so etwas wie innere Helfer.
Eine andere gute Methode ist die Gestaltung von Fischen mit verschiedenen Gesichtsausdrücken. Da gab es wütende, ängstliche oder schüchterne Fische. So können die Kinder emotionale Zustände darstellen, die schwer zu begreifen oder zu beschreiben sind und viel Unbewusstes einfließen lassen. Das hilft enorm bei der Emotionsregulation, wenn man die Gefühle sichtbar machen kann.
Ein Lieblingsthema von allen geflüchteten Kindern ist das Bauen von Häusern aus großen Schachteln. So können sie einen eigenen Ort schaffen, in dem sie sich sicher und wohl fühlen. Das ist für Kinder in einer fremden Umgebung extrem wichtig.
Liebe Maria, vielen Dank für den Einblick in Deine Arbeit.


