Mehr Konzentration auf die Therapie

Erwachsenenbereich
Jahresbericht 2022

Damit sich unsere Klient*innen voll auf die Therapie konzentrieren können, unterstützen die Sozialpädagog*innen von Refugio München bei sozialen und aufenthaltsrechtlichen Fragen.

 

Viele Sorgen unserer Klient*innen drehen sich um das Asylverfahren. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist entscheidend für ihr weiteres Leben: Darf ein*e Klient*in bleiben oder muss er oder sie ins Herkunftsland zurück?

„Für geflüchtete Menschen ist das Asylverfahren meist völlig unverständlich“, sagt Sascha Kienberger. Er ist Sozialpädagoge und arbeitet nun seit sieben Jahren in der Sozialberatung für Geflüchtete. „Es gibt viel Unwissen und Gerüchte rund um das Verfahren und die Gründe, warum jemand bleiben darf oder nicht“, sagt er. „Viele denken zum Beispiel: der deutsche Staat will keine kranken Menschen aufnehmen und verschweigen deshalb bei der Anhörung vorm Bundesamt ihre gesundheitlichen Probleme.“ Hier sei Aufklärung wichtig, sagt er. Denn: Gerade körperliche oder psychische Erkrankungen können den Ausschlag dafür geben, dass ein Mensch in Deutschland bleiben kann.

In der Sozialberatung erklärt Sascha seinen Klient*innen erst einmal, welche Arten von Schutz es nach dem deutschen Asylrecht gibt, wie die Antragstellung abläuft und welche Möglichkeit die Menschen nach einem Negativbescheid des Bundesamts haben. Dann schaut er sich die individuellen Unterlagen und Bescheide genauer an. Er weiß, worauf es dabei ankommt und mit wem er sprechen muss. Fast täglich telefoniert er mit Anwält*innen oder der jeweiligen Ausländerbehörde.

Die Entscheidungen der Behörden schränken das Leben der Menschen leider häufig ein. Sascha kritisiert vor allem, dass einige geflüchtete Menschen nicht arbeiten dürfen, obwohl sie wollen und auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden: „Menschen sollten immer die Erlaubnis haben, zu arbeiten. Das hat mit Würde zu tun. Und finanziell hilft es allen: den Klient*innen, dem Staat, den Unternehmen.“ Trotzdem verweigern die Ausländerbehörden regelmäßig Menschen die Arbeitserlaubnis.

Im letzten Jahr ist es Sascha in einem besonders komplexen Fall gelungen, eine Arbeitserlaubnis für einen seiner Klienten zu erreichen. Es ging um einen jungen Mann aus Eritrea, einem der autoritärsten Staaten der Welt. Schon als Kind war dem Klienten mit seiner Mutter die Flucht aus dem Land gelungen. Ohne jegliche Ausweisdokumente, die seine Nationalität belegen könnten. Nach Jahren der Flucht und Heimatlosigkeit war der Mann nun in Deutschland angekommen, konnte aber seine Herkunft nicht belegen. Die Ausländerbehörden verlangen in solchen Fällen von den Geflüchteten, dass sie die Ausweisdokumente selbst beschaffen. Wenn im Asylverfahren dann kein Schutzstatus vergeben wird, entzieht die Behörde danach häufig die Arbeitserlaubnis, bis die Anstrengungen zur Passbeschaffung nachgewiesen werden.

Auch Saschas Klient verlor seine Arbeitserlaubnis und musste dadurch seine Ausbildung zum Lageristen abbrechen. „Jemand, der arbeiten will und in seinem Ausbildungsbetrieb geschätzt war“ – der Sozialpädagoge kann darüber nur den Kopf schütteln. Zusammen mit Sascha kontaktierte der Klient Schulen, Behörden und Anwälte in Eritrea und Äthiopien, um an die Unterlagen zu gelangen. Erfolglos. Sascha dokumentierte alle Bemühungen gründlich und sandte sie an die zuständige Ausländerbehörde. Als diese trotz aller Bemühungen weiterhin die Arbeitserlaubnis verweigerte, wandte sich der Sozialpädagoge zusammen mit Refugio München Geschäftsführer Jürgen Soyer an den Leiter des Landratsamtes, der der Ausländerbehörde vorsteht. Mit Erfolg: Der junge Mann aus Eritrea bekam seine Arbeitserlaubnis zurück. Seit August 2022 arbeitet er wieder. Nun bei einem Gemüsegroßhändler in München. Dadurch verdient er Geld, ist mit Menschen im Kontakt und hat das Gefühl, gebraucht zu werden. Seine psychischen Beschwerden haben sich seitdem auch verbessert.

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Arbeitsverbote für geflüchtete Menschen abzuschaffen. Sascha hofft, dass sie ihr Wort hält. Seine Klient*innen hätten dadurch ein Problem weniger.

Das Team für die Psychotherapie und Sozialberatung von erwachsenen Geflüchteten besteht aus Psychotherapeut*innen und Sozialpädagog*innen.