Außenstelle Landshut
Jahresbericht 2023
Die psychosoziale und psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten ist in ganz Bayern mehr als prekär. Bei Refugio München haben wir daher zwei Außenstellen, um die Lage etwas zu verbessern.
Unsere Außenstelle in Landshut haben wir 2018 gegründet, inzwischen ist das neunköpfige Team fester und unverzichtbarer Bestandteil der Stadtgesellschaft, denn auch Niederbayern nimmt eine nicht unerhebliche Anzahl Geflüchteter auf. Die Wege sind jedoch häufig weit, weil die Unterkünfte sehr verteilt auf den ländlichen Raum sind und die einzige Möglichkeit der Therapie für die geflüchteten Kinder und Erwachsenen ist Refugio München in Landshut.
Farid – ohne Familie und minderjährig
Farid ist einer der Jugendlichen, der Hilfe bekommen hat. Er kommt aus Syrien und ist der älteste Sohn in der Familie. Farid wurde mit 11 Jahren allein auf die Flucht geschickt, die 1 ½ Jahre dauerte. Allein das zeigt schon, wie traumatisierend das für ihn gewesen sein muss. Darüber hinaus hat er auch immer wieder Gewalt auf der Flucht erfahren. In Deutschland angekommen wurde er als Minderjähriger vom Jugendamt in Obhut genommen. Es ist häufig so, dass Geflüchtete egal welchen Alters zusammenbrechen, sobald der Überlebenskampf der Flucht vorbei ist. So auch Farid: In Sicherheit wurde seine psychische Verfassung so schlecht, dass er einen Suizidversuch unternahm. Seine Schlafstörungen, Alpträume und Flashbacks durch die Erlebnisse im Krieg und auf der Flucht waren nicht nur für ihn eine hohe Belastung: Auch seine Mitbewohner in der Wohngruppe haben unter seinem oft impulsiven Verhalten gelitten und es kam häufig zu Streit. Farid musste aber nicht nur seine Vergangenheit verarbeiten, er litt auch unter der ständigen Angst um seine Familie in Syrien und dem Druck sie nachholen zu müssen. Durch die neun Monate währende Therapie konnte er das Erlebte aufarbeiten, lernte Strategien im Umgang mit seinen Ängsten, seinen sozialen Kontakten und Konzentrationsproblemen. Auch beim Familiennachzug haben wir geholfen – für das Jugendamt in Landshut eine enorme Entlastung.
Kunstgruppen auch in Landshut
Durch die Refugio Kunstwerkstatt haben wir schon über dreißig Jahre Erfahrung, wie hilfreich das kreative Gestalten für Kinder und Jugendliche ist, um Erlebtes zu verarbeiten. Deshalb haben wir im Oktober 2022 auch in der Außenstelle Landshut in Zusammenarbeit mit einer Kunsttherapeutin eine Kunstgruppe für Kinder gegründet. Eines dieser Kinder ist Nasim (Name geändert), er ist sechs Jahre alt. Nasims Mutter war nach Kriegsbeginn aus Syrien geflohen und heiratete in Griechenland seinen Vater. Regelmäßig musste Nasim körperliche als auch psychische Gewalt des Vaters mitansehen und am eigenen Leib erleben. Mit Unterstützung einer Hilfsorganisation sind er, seine Mutter und sein kleiner Bruder vor dem gewalttätigen Vater nach Deutschland geflohen. Das Kind hat in der Folge große Angst, seine Mutter zu verlieren und zurück zum Vater zu müssen. Nasim weint viel und erträgt keine noch so kurze Trennung von der Mutter. Zum Glück wird ihm ein Platz bei Refugio München in Landshut vermittelt und er beginnt eine Therapie. Da er in einer abgeschiedenen Gemeinschaftsunterkunft lebt, wären für ihn auch Kontakte zu anderen Kindern wichtig. Für die Kunstgruppe ist er aber zunächst viel zu schüchtern. Doch genau das zwanglose und liebevoll betreute Zusammensein würde ihm guttun. Um ihn zu unterstützen, soll er sich die Kunstgruppe einfach nur mal ansehen. Es dauert nicht lang und Nasim will mitmachen. Die kreative Arbeit macht ihm so viel Spaß, dass er von da an regelmäßig zu den wöchentlichen Treffen kommt. In den ersten Gruppenstunden benötigt er noch viel inhaltliche Anstöße für seine Kunstwerke. Er wird jedoch schnell sicherer im Umgang mit den Materialien und beginnt eigene Ideen zu den Treffen mitzubringen. Wenn ein Kunstwerk fertig ist, präsentiert er es stolz vor der Gruppe sowie seiner Mutter und seinem kleinen Bruder. Als die Gruppe Ende 2023 beendet wird, wechselt Nasim selbstbewusst zu einem anderen Kunstprogramm der Stadt Landshut. So ist auch er ein kleiner Teil der Stadtgesellschaft geworden und der Rest der Familie gleich mit.
