Schnelle Hilfe und neue Wege

Gastbeitrag von Verena Dietl, Münchens dritte Bürgermeisterin

Im Mai 2022 haben wir das Mental Health Center Ukraine für Geflüchtete aus der Ukraine gegründet. Das Team mit acht Mitarbeiter*innen konnten wir auch dank der Unterstützung der Stadt München so schnell aufstellen und finanzieren. In einem Gastbeitrag beschreibt Münchens dritte Bürgermeisterin Verena Dietl was der Landeshauptstadt zu Beginn des Krieges in der Ukraine und auch heute wichtig ist bei der Versorgung von Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen.

 

„Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bedroht nicht nur die Menschen und die Gesellschaft in der Ukraine, er ist existentiell für ganz Europa und den globalen Frieden. Die Ukraine erfährt deshalb weltweite Solidarität und Unterstützung, in Europa auch durch die Aufnahme von geflüchteten Ukrainer*innen. München pflegt seit 1989 eine Städtepartnerschaft mit Kyiv. Die Landeshauptstadt hat schnell und umfassend reagiert und flüchtende Ukrainer*innen öffentlich und privat aufgenommen und versorgt.

Menschen, die vor Krieg und existentieller Bedrohung fliehen, brauchen neben einem sicheren Ort und einer Grundversorgung meist auch psychosoziale und psychotherapeutische Unterstützung. Sie haben zuvor oft traumatisierende Erfahrungen von Gewalt und Entbehrungen gemacht, die existentielle Bedrohung – auch für die zurückgebliebenen Angehörigen – ist noch lange nicht gebannt und die Zukunft ungewiss. Menschen reagieren auf solche massiven Belastungen oftmals mit akuten psychischen Beschwerden. Die Symptomatik beeinträchtigt die Menschen im Alltag, drückt sich auch in körperlichen Beschwerden und Erkrankungen aus, erschwert Eltern-Kind-Beziehungen und den Start im Aufnahmeland erheblich.

Es ist deshalb unabdingbar, Geflüchteten auch psychosoziale und psychotherapeutische Interventionen und Behandlung zukommen zu lassen, damit ihre Gesundheit und ihre Chance zur Integration oder Rückkehr nicht dauerhaft Schaden nehmen. Die Behandlung muss traumaspezifisch erfolgen, an alle Altersgruppen angepasst sein und in der Fremdsprache oder mit Übersetzung erfolgen. Das sind Voraussetzungen, die die herkömmlichen Versorgungsangebote in der Menge und in den Voraussetzungen überfordern. Es lag deshalb nahe, den neuen und dringlichen Bedarf für aus der Ukraine geflüchtete Menschen durch ein zusätzliches Angebot zu decken.

Verena Dietl (SPD), dritte Bürgermeisterin der Stadt München
Verena Dietl (SPD), dritte Bürgermeisterin der Stadt München
Verena Dietl sieht sich bei ihrem Besuch im MHCU Bilder an, die geflüchtete Kinder aus der Ukraine gemalt haben.

 

Mit Refugio München e.V. verfügt München über ein Beratungs- und Behandlungszentrum für traumatisierte geflüchtete Menschen mit Erfahrung und Strukturen, die über Jahrzehnte gewachsen sind und fachlich kontinuierlich weiterentwickelt wurden. Refugios Arbeit mit Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen erprobt oft neue Wege. Der Verein ist nicht nur in München sehr gut in die soziale und gesundheitliche Versorgung eingebunden, sondern auch bayern- und bundesweit vernetzt und anerkannt. Die Landeshauptstadt München, federführend das Sozialreferat, fördert die Arbeit von Refugio zu fast 50 % der Gesamtfinanzierung, neben vielen anderen Förderern. Die Kooperation mit Refugio München, ob grundsätzlich oder zu aktuellen Herausforderungen, wird von der Stadtverwaltung sehr geschätzt. Gleichzeitig sollte die Arbeit von Refugio München für Geflüchtete aus anderen Ländern nicht eingeschränkt werden. Deshalb beschloss der Münchner Stadtrat im April 2022 die Förderung eines Mental Health Center Ukraine in Trägerschaft von Refugio München, das bereits im Mai seine Arbeit aufnahm.

Mit dem Mental Health Center Ukraine stellen wir sicher, dass die psychisch sehr belasteten Menschen aus der Ukraine die dringend erforderliche fachliche Hilfe bekommen und eine gute Perspektive in unserer Stadt oder für die Rückkehr in ihre Heimat erhalten. Gleichzeitig ist gewährleistet, dass die Versorgungsstrukturen nicht überlastet werden und der Bedarf der Münchner Bürger*innen nicht vernachlässigt wird.

Die Förderung ist zunächst bis Ende 2023 befristet. Das Angebot wird evaluiert, um die Erfahrungen für die weitere psychosoziale und psychotherapeutische Arbeit mit geflüchteten Menschen in München nutzen zu können.“

 

Das Mental Health Center Ukraine* (MHCU) bietet seit Mai 2022 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die aufgrund des Krieges in der Ukraine geflohen sind, psychosoziale Erste Hilfe.
Zu den Angeboten zählen psychologische Angebote, wie Krisengespräche, Stabilisierungs- und Psychoedukationsgruppen, psychosoziale und psychoedukative Erstversorgung und kunstpädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche. Damit sollen akute psychische Symptomatiken aufgefangen, sowie psychische Erkrankungen und insbesondere deren Chronifizierung verhindert werden.
Das MHCU ist ausdrücklich offen für alle Menschen, die aufgrund des Krieges in der Ukraine fliehen mussten, bzw. die bei Kriegsbeginn in der Ukraine gelebt haben, das heißt auch Drittstaatsangehörige, ausländische Student*innen und Geflüchtete. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt zudem den besonders vulnerablen LGBTIQ*-Geflüchteten, Rom*nija, der Gruppe der BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) sowie Menschen mit Behinderung.