Faire Verfahren für traumatisierte Geflüchtete von Anfang an

Früherkennung in der Erstaufnahme

Asylsuchende, die in Oberbayern verbleiben, sind für ca. zwei Wochen in der sogenannten Kurzaufnahme in München. Ein Team des Projektes SoulCaRe von Refugio München ist vor Ort, um in dieser kurzen Zeit traumatisierte und psychisch erkrankte Geflüchtete zu identifizieren und zu unterstützen. Warum das so wichtig ist, zeigt das Beispiel von Nakib:

 

Der 15jährige Nakib (Name geändert) aus Afghanistan ist mit seiner Mutter im Sommer 2021 in München angekommen. Die Mutter ahnte die psychischen Probleme ihres Sohnes, konnte ihm aber – selbst durch Erlebnisse auf der Flucht traumatisiert – nicht helfen. Eine Peer-Beraterin aus dem Früherkennungsprojekt SoulCaRe bemerkte Auffälligkeiten im Verhalten des Jungen und organisierte einen Termin beim Kinder- und Jugendpsychiater von Refugio München. Im ersten Termin wirkte Nakib sehr verzweifelt, er konnte kaum sprechen. In zwei weiteren Terminen kamen die furchtbaren Erlebnisse hoch: Nakib war von Taliban schwer sexuell misshandelt worden. Seine Mutter wusste davon nichts und sollte es auch nicht erfahren.

Nakib hat aufgrund seiner schweren Erkrankung sofort einen Therapieplatz bei Refugio München bekommen. Das SoulCaRe Team informierte die Regierung von Oberbayern über die besonderen Bedarfe zu Unterbringung, sodass er und seine Mutter in eine geeignete Unterkunft verteilt wurden.

In der Kurzaufnahme im Münchner Norden verbleiben Asylsuchende ca. 2 Wochen bis sie auf die Unterkünfte in Oberbayern verteilt werden.
Das Früherkennungsprojekt SoulCaRe von Refugio München soll helfen, traumatisierte und psychisch erkrankte Geflüchtete frühzeitig zu identifizieren und zu unterstützen.

 

Eine sehr große Herausforderung hatten beide aber noch vor sich: die Anhörung zum Asylverfahren. Minderjährige werden normalerweise nicht selbst angehört, doch Nakibs Mutter kannte die Gründe seiner Traumatisierung nicht. Die Gewalt, die er erfahren hatte und seine daraus folgende psychische Erkrankung sind aber asylrelevant. Deshalb hat eine Refugio München Sozialberaterin Nakibs Asylverfahren unterstützt. Von ihr begleitet und durch die Therapie stabilisiert, war er bereit, selbst in die Anhörung zu gehen und über die traumatisierende Gewalt in Afghanistan zu berichten. Das BAMF hat seine Asylgründe akzeptiert und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, weil er seine Geschichte glaubhaft vortragen konnte. Ohne die frühzeitige Diagnostik, die Therapie und Unterstützung, hätte keiner rechtzeitig von seinem Leiden erfahren und so wäre auch das Asylverfahren vermutlich negativ verlaufen.

Nakib macht jetzt gute Fortschritte in der Therapie und hat die Chance, sich zusammen mit seiner Mutter ein zuversichtliches Leben aufzubauen. Wir werden ihn dabei weiter unterstützen!