Früherkennung besonders schutzbedürftiger Asylsuchender in der Erstaufnahme

Warum frühzeitige und aufsuchende psychosoziale Beratung und Diagnostik für Asylsuchende in einer Erstaufnahmeeinrichtung?

Bei der Früherkennung von besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden ist die Kontaktaufnahme zu Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, psychisch erkrankt sind oder zur Gruppe der LGTBIQ* gehören, eine große Herausforderung. Der Schlüssel dabei sind unsere psychosozialen Peer-Berater*innen.

Alle Asylsuchenden müssen die Belastungen der Erlebnisse im Herkunftsland und auf der Flucht sowie kulturelle und bürokratische Herausforderungen bewältigen. Vor allem Menschen, die nicht offensichtlich zur Gruppe der vulnerablen Geflüchteten gehören, haben darüber hinaus besondere Schwierigkeiten, identifiziert zu werden oder sich selbst als vulnerable Person zu erkennen zu geben: Psychisch erkrankte Geflüchtete können Symptome einer Traumatisierung oder psychischen Erkrankung oft nicht einordnen und wissen nicht, dass sie Hilfe und Behandlung benötigen. Kinder und Jugendliche wollen oft ihre möglicherweise ebenfalls belasteten Eltern nicht zusätzlich mit eigenen Problemen beschweren. Gerade der Zugang zu Kindern ist herausfordernd, da sie selbst kaum im Kontakt mit Behörden, Sozialdiensten oder anderen Mitarbeitenden der Unterkünfte stehen, die auf mögliche Probleme aufmerksam werden könnten. LGBTIQ* Personen wissen häufig nicht, dass sie als Angehörige einer besonders vulnerablen Gruppe besondere Rechte haben, die bei der Unterbringung und im Asylverfahren eine Rolle spielen können. Gleiches gilt für Opfer von Menschenhandel.

Die genannten Gruppen müssen laut EU-Aufnahmerichtlinie und EU-Verfahrensrichtlinie identifiziert und ihre besonderen Bedarfe bei Unterbringung und im Asylverfahren berücksichtig werden.

Zur Früherkennung besonders vulnerabler Asylsuchender sind Erfahrung, Expertise und Sensibilität erforderlich. Das gilt insbesondere bei psychischen Erkrankungen, wenn sie im Zusammenhang mit körperlicher und psychischer Gewalterfahrung stehen. Menschen, die sexualisierte Gewalt, Folter oder andere traumatische Erlebnisse erfahren haben, können sich traumabedingt weder schnell noch einfach anderen Personen anvertrauen. Die Erlebnisse von Gewalt, Ausbeutung, Diskriminierung und Bedrohung haben die Betroffenen oft in den Grundfesten ihres Vertrauens in andere Menschen erschüttert. LGBTIQ* Geflüchtete können aufgrund von Diskriminierungs- und Verfolgungserfahrung in der neuen Umgebung erst einmal schwer einschätzen, was passiert, wenn sie sich offenbaren oder dies nicht tun.

Bei allen vulnerablen  Personen sind bedarfsgerechte Maßnahmen wichtig, um eine geeignete Unterbringung und Hinweise auf die besondere Vulnerabilität in der Anhörung zu ermöglichen. Eine frühe Identifizierung von psychisch erkrankten Menschen und rechtzeitige angemessene Maßnahmen können eine Verschlechterung und Chronifizierung verhindern. Die Aufklärung über Rechte ist wichtig, um die eigene Handlungsfähigkeit vulnerabler Personen herstellen. Außerdem wird durch eine frühzeitige psychosoziale Versorgung und die Möglichkeit der Anbindung an Fach-Beratungsstellen die Grundlage für eine nachhaltige Integration geschaffen.