Stepped Care

Jahresbericht 2021
Forschungsabteilung

Die Forschungsabteilung von Refugio München arbeitet eng mit den Praktiker*innen bei Refugio München und der Wissenschaft an der Universität zusammen. Ziel ist, die psychotherapeutische Arbeit im interkulturellen Kontext zu optimieren und neue Lösungswege zu eröffnen. Ein Beispiel dafür ist das Stepped-Care-Projekt.

 

Die Refugio Forschungsabteilung begleitet „Stepped Care – ein stufenweises Behandlungskonzept besonders Schutzbedürftiger“ seit 2019 – ein Kooperationsprojekt von Refugio München und dem Zentrum Überleben in Berlin, das im Rahmen eines EU-AMIF-Projekts durchgeführt wurde. Die beiden Zentren zählen deutschlandweit zu den wenigen psychosozialen Einrichtungen mit eigenen Forschungsabteilungen.

Das Stepped Care Modell beschreibt einen gestuften Behandlungsansatz: abhängig vom Schweregrad der Erkrankung erhalten Betroffene unterschiedlich intensive Behandlungsangebote. Die zentrale Annahme ist, dass niederschwellige Angebote mit geringerer Intensität von Beratung und Behandlung für eine gewisse Anzahl von Klient*innen ebenso effektiv sein können wie gängige Methoden der intensiven Behandlung. Das ließ sich auch in wissenschaftlichen Studien bestätigen. Konkret bedeutet es, dass durch Angebote im Gruppensetting mehr Geflüchteten Unterstützung angeboten werden kann und Angebote wie Einzeltherapie, die nur begrenzt zur Verfügung stehen, bleiben sehr schwer Belasteten vorbehalten.

Der Stepped Care Gedanke ist bei Refugio München auf verschiedenen Ebenen vertreten: angefangen von SoulCare, dem Früherkennungsprojekt in Erstaufnahmeeinrichtungen, über die Angebote der Refugio Kunstwerkstatt oder das Elterntraining bis hin zu den Fachbereichen für Kinder und Jugendliche beziehungsweise für Erwachsene.

Auch innerhalb der Fachbereiche findet sich das Stepped Care Modell wieder: für manche Klient*innen sind niedrigschwellige Gruppenangebote, wie STARK, zur Förderung der Emotionsregulation, und STARS, zur Verbesserung des Schlafs, ein ausreichendes Unterstützungsangebot. Beide genannten Gruppenkonzepte wurden in der Forschungsabteilung von Refugio München mit Unterstützung des Behandlungsteams entwickelt und wissenschaftlich evaluiert. Besonders stark belastete Klient*innen brauchen weiterführende Hilfe in Form von Einzeltherapie.

Das Refugio München Forschungsteam zeichnet sowohl langjährige Erfahrung wie innovative Zusammenarbeit aus.

Ein erster Schritt in der wissenschaftlichen Begleitung des Stepped Care Projektes war die systematische Erhebung der Anmeldungen, Erstgespräche und Aufnahmen aller Klient*innen ab 18 Jahren im Zeitraum von 1.1.2020 bis 31.12.2021. Zudem gab es erste wissenschaftliche Auswertungen der Standarddiagnostik. Diese Daten erscheinen Anfang 2023 in einem Themenschwerpunkt zur Psychotherapeutischen Versorgung von Geflüchteten der Zeitschrift Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis des dgvt-Verlags. Herausgeberinnen dieses Themenschwerpunktes sind Mitarbeiterinnen unserer Forschungsabteilung.

Die Organisation, Durchführung und Auswertung der Standarddiagnostik war eines der ersten Projekte der Forschungsabteilung und ist nach wie vor eine unserer zentralsten Aufgaben. In enger Kooperation mit den behandelnden Therapeut*innen und Sozialarbeiter*innen wird die Diagnostik in Interviewform von Mitarbeiterinnen der Forschungsabteilung und häufig durch Unterstützung von Sprachmittelnden erhoben. Wir befragen die Klient*innen bei Aufnahme, nach ca. sechs Monaten in Therapie sowie bei Therapieabschluss. Dabei legen wir neben der Abfrage von Symptomen einen besonderen Schwerpunkt auf soziodemographische Angaben und Postmigrationsstressoren, wie zum Beispiel der Asylstatus, Familientrennung oder die aktuelle Wohnsituation.

Das Stepped Care Projekt spiegelt die enge Verzahnung unserer Forschungsabteilung mit den Kolleg*innen der anderen Fachbereiche wieder. Durch die Standarddiagnostik haben wir die Möglichkeit, die Belastungen unserer Klient*innen auf unterschiedlichsten Ebenen systematisch zu erheben. Die Auswertung hilft uns, Zusammenhänge zwischen soziodemographischen Angaben, Postmigrationsstressoren und Psychopathologie besser zu verstehen und in der therapeutischen und sozialpädagogischen Arbeit zu berücksichtigen.

Die Forschungsabteilung vom Zentrum Überleben ist dabei ein wichtiger Austauschpartner und die gemeinsame Kooperation eine große Bereicherung für unsere wissenschaftliche Arbeit.