Frauenfachstelle
Jahresbericht 2023
Geschlechtsspezifische, sexualisierte Gewalt oder die Erfahrung von mangelnder Gleichstellung bis zur Entrechtung von Frauen benötigen eine besondere Expertise in Therapie und Beratung.
Frauen sind auf der Flucht besonderen Gefahren ausgesetzt: Sie erleben häufig sexualisierte Gewalt und Zwangsprostitution, sind skrupellosen Schleppern oft schutzlos ausgeliefert. Auch in den Unterkünften hier in Deutschland ist der Schutz von Frauen vor Gewalt oder Missachtung eine große Herausforderung, der die Unterkünfte nicht immer gerecht werden. Dazu kommen asylrechtliche Besonderheiten: es gibt Länder wie zum Beispiel Afghanistan, wo allein schon die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht ein Verfolgungsgrund ist und Frauen generell als verfolgte Gruppe einen Flüchtlingsstatus bekommen können – dazu braucht es aber die richtige Beratung.
Bei Refugio München haben wir deshalb eine eigene Frauenfachstelle. Dazu gehören eine Sozialpädagogin und eine Therapeutin, die zusätzlich zur üblichen Beratung und Therapie über das spezifische Wissen für geflüchtete Frauen verfügen. Die Frauen kommen meist mit sehr schweren Themen zu uns: Vergewaltigung, weibliche Beschneidung (FGM/C – femal genital mutilation/cutting), eine Vergangenheit ohne Rechte in patriarchalen Strukturen, Zwangsheirat oder auch Kinder aus Vergewaltigung. Für die teils hochtraumatisierten Frauen ist eine besonders sensible Herangehensweise nötig, bei der die Kolleginnen unterstützen. Zur Beratung und Therapie gehört nicht nur das Überwinden der Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und Zukunft als Frau in Deutschland: Das heißt Aufklärung darüber, dass Frauen dieselben Rechte wie Männer haben oder das Wissen über Bildungsperspektiven – viele Frauen sind aus Ländern geflohen, die nur eine sehr begrenzte Bildung für Mädchen zulassen. Die Frauenfachstelle bei Refugio München hilft unseren Klientinnen bei der Gestaltung ihrer Zukunft in Bezug auf Bildung, Beruf oder Familienplanung – Aufklärung über oft im Herkunftsland unmögliche oder verbotene Verhütung gehört auch dazu. Von zentraler Bedeutung sind auch gute Kontakte zu anderen Beratungsstellen oder Ärzt*innen, wenn zum Beispiel eine medizinische Behandlung aufgrund von Gewalt oder FGM/C nötig ist.
Unsere Expertinnen in der Frauenfachstelle sind nicht nur für unsere eigenen Mitarbeitenden verfügbar, sondern auch für andere über unser Beratungstelefon (Montag 10-12 Uhr und Donnerstag 14-16 Uhr). Darüber hinaus geben sie im Rahmen unseres Fortbildungsinstituts Refugio transfer Fortbildungen für andere Fachkräfte und Beratungsstellen.
Der besondere Schutz von Frauen auf der Flucht und in den Unterkünften ist auch ein politisches Thema, deshalb ist Refugio München Teil des Münchner Aktionsbündnisses für geflüchtete Frauen. Das ist ein engagierter Kreis von Fachfrauen, die sich in den gesellschaftspolitischen Diskurs einmischen, um auf die Nöte von geflüchteten Frauen hinzuweisen sowie Verbesserungen in der Versorgung und bei der Unterbringung zu erwirken. Dazu arbeiten wir an Stellungnahmen zur aktuellen Situation von Frauen in den Unterkünften oder zum Gewaltschutz mit. Wir nehmen an Terminen und Gesprächen mit politisch Verantwortlichen teil oder werden zu Landtagsanhörungen als Expert*innen eingeladen.
In der letzten Stellungnahme des Aktionsbündnisses wurden beispielsweise in einem offenen Brief an die bayerische Regierung die negativen Auswirkungen für Frauen durch die letzten Asylrechtsverschärfungen spezifiziert. Frauen und Kinder sind davon besonders betroffen, so kann die Polizei beispielsweise auf der Suche nach anderen Personen in der Unterkunft alle Räume betreten und durchsuchen. Das kann ein Alptraum für Frauen und Kinder sein, wenn plötzlich nachts die Polizei auf der Suche nach einer anderen Person in ihrem Zimmer steht – umso schwerer wiegt diese Unsicherheit, wenn sie bereits in der Vergangenheit massive Gewalterfahrungen erlitten haben. Auch der eingeschränkte Zugang zur Gesundheitsversorgung betrifft Frauen besonders, da zum Beispiel gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen und Psychotherapie nur sehr begrenzt möglich sind.
Der Schutz von geflüchteten Frauen und Kindern muss Priorität bei allen politisch Verantwortlichen und Entscheidungsträger*innen haben, deshalb sind spezifische Stellen, die das Wissen bündeln und sich engagieren, so wichtig.
