Refugio München 2022 – der Krieg kommt ganz nah

Bericht der Geschäftsführung
Jahresbericht 2022

Das Jahr 2022 war vom Angriffskrieg auf die Ukraine und die Ankunft vieler Geflüchteter geprägt. Aber das ist nicht alles, was wir zu berichten haben.  

 

Wenige Wochen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eröffneten wir bereits unser Behandlungszentrum für alle Geflüchteten aus der Ukraine: MHCU, das Mental Health Center Ukraine. Der Münchner Stadtrat beschloss im Eiltempo eine finanzielle Unterstützung dieses Projekts, das insbesondere Kindern und Jugendlichen eine psychische Unterstützung anbietet, aber auch Eltern begleitet, damit sie ihren Kindern den Krieg und seine Umstände erklären können, und nicht zuletzt Erwachsenen psychische Hilfe gibt. Im neuen MHCU arbeiten Psychologinnen aus der Ukraine und Russland, Sozialpädagoginnen aus der Ukraine und Deutschland sowie ein Kinder- und Jugendpsychiater aus Deutschland zusammen. Zusätzlich bieten wir auch mit finanzieller Unterstützung der Stadt München in der Refugio Kunstwerkstatt Gruppen für geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine an. Alle Angebote werden nach wie vor dankend und in sehr großer Anzahl angenommen – ein wichtiger Beitrag für die Menschen in einer furchtbaren Situation, um Hoffnung und Kraft für die Zukunft zu schöpfen.

Aber auch bei allen anderen Geflüchteten stiegen die Anmeldezahlen für Therapie in München, Landshut und Augsburg im Vergleich zu 2021 weiter an. Die Anmeldungen überstiegen erheblich die Zahl verfügbarer freier Therapieplätze und wir mussten leider viele Anfragen aus Kapazitätsgründen ablehnen. Auch 2022 haben wir die Therapie- und Beratungsplätze deshalb weiter ausgebaut. In Landshut und Augsburg planen wir einen weiteren Ausbau, um den Geflüchteten in Niederbayern und Schwaben ein größeres Hilfsangebot machen zu können.

In München merkten wir den Erfolg unseres Früherkennungsprojekts in der Aufnahmeeinrichtung für neu angekommene Asylsuchende. Dort sind wir mit Fachkräften präsent und identifizieren besonders schutzbedürftige Geflüchtete, die Gewalt und Folter erlebt haben und psychisch leiden. Auf Grund unserer Identifizierung wird bei der Weiterverteilung durch die Regierung auf die besonderen Bedarfe dieser Personen Rücksicht genommen und eine möglichst geeignete Unterkunft gesucht. Auch werden die Erkenntnisse – natürlich nur bei Zustimmung der Asylsuchenden – an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weitergegeben, damit die Anhörung für das Asylverfahren besonders sensibel durchgeführt werden kann. Aber das Projekt bedeutet auch, dass mehr Menschen auf die psychologische Unterstützung von Refugio München aufmerksam werden und sich bei uns melden. Auch deshalb stiegen die Anmeldezahlen in München stark an.

Die Schwere der Symptomatik unserer Klient*innen zeigt sich auch an folgenden Zahlen: Rund 45% unserer Klient*innen in Behandlung gaben an, auf Grund ihrer schwerwiegenden Erlebnisse Suizidgedanken zu haben. Darunter auch viele Kinder und Jugendliche! 15% haben bereits einen Suizidversuch unternommen. Glücklicherweise können wir diesen Menschen sehr oft helfen und sie finden den Weg ins Leben zurück.

Wir stellten zum Sommer 2022 unser erfolgreiches Angebot der Kunsttherapie an Schulen ein und bauten mit den frei gewordenen Geldern die Gruppenarbeit der Kunstwerkstatt vor allem in Asylbewerberunterkünften aus. Da Kinder und Jugendliche in diesen Unterkünften sehr schwierigen Lebensumständen ausgesetzt sind, haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen, um ihnen vor Ort mehr Unterstützung und Entfaltungsmöglichkeiten zu geben.

Wir setzen uns bei Politiker*innen für nachhaltige positive Veränderungen für Geflüchtete ein. Wir fordern einen Ausbau der Früherkennung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter und der psychosozialen Versorgung in ganz Bayern. Es gibt neben Refugio München auch andere großartige Initiativen in anderen Regionen Bayerns. Der Freistaat Bayern ist eigentlich dafür zuständig, dass solche Angebote in ganz Bayern etabliert werden. Hier muss der Freistaat deutlich mehr tun! Und auch der Bundesgesetzgeber muss beim Thema Anerkennung von psychotherapeutischen Stellungnahmen im Asylverfahren gesetzlich deutliche Verbesserungen umsetzen, da die aktuelle Praxis es schwer kranken Geflüchteten kaum möglich macht, dass sie ihre psychische Erkrankung geltend machen können. Auch dafür setzen wir uns kraftvoll ein!

Unsere Behandlungszentren in München, Landshut und Augsburg, unser Früherkennungsprojekt in der Erstaufnahme in München, die Kunstwerkstatt und das muttersprachliche Elterntraining, das Fortbildungsinstitut und unsere wissenschaftliche Forschungsabteilung berichten Ihnen in diesem Jahresbericht über ihre Aktivitäten im Jahr 2022.

Wir danken herzlich allen Angestellten, Honorarkräften, Ehrenamtlichen, Engagierten, Zuschussgeber*innen, Förderer*innen und Spender*innen, die diese Arbeit ermöglicht haben! Nur mit Ihrer Unterstützung konnten wir 3.110 Geflüchtete begleiten und unterstützen! Mit Ihrer Hilfe können wir viel erreichen! DANKESCHHÖN für Ihr Engagement und Ihre Verbundenheit!

Annette Hartmann
Jürgen

Annette Hartmann und Jürgen Soyer, Geschäftsführung Refugio München