Was ist Folter?
Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in dieser Welt
Dies schrieb der bekannte Philosoph und Schriftsteller Jean Amery nach eigener KZ-Erfahrung. Und: „Die Schmach der Vernichtung lässt sich nicht austilgen.“ Folter ist weltweit eines der dunkelsten Kapitel der Menschheit und auch im dritten Jahrtausend ein verbreitetes Mittel der Staats- und Kriegsführung, um Menschen zu zerstören. Neben körperlicher Folter und Gewalt ist auch psychische Folter oder Menschenhandel ein verbreitetes Übel.
Die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen von 1984 ächtet weltweit Folter. In der sachlichen Sprache von Definitionen wird Folter folgendermaßen beschrieben:
„Jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden; der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.“
Häufigkeit und Vorkommen
Trotz internationaler Ächtung berichtet Amnesty International in seinem Report 2015/2016, dass in 122 Ländern Menschen gefoltert oder andersweitig misshandelt wurden. Auch in europäischen Staaten und in den USA wurde durch staatliche Kräfte gefoltert oder misshandelt. Immer wieder wird im Namen der „nationalen Sicherheit“ gefoltert.
Folter hat in den meisten Ländern System. Die Folternden durchlaufen eine Ausbildung, um einem Regime bedingungslos zu folgen. Es gibt keine gesicherten Zahlen darüber, wie viele Geflüchtete, die Deutschland erreichen, Folter erlitten haben. Seriöse Studien in Skandinavien gehen von einer Zahl zwischen 10 und 30% aus.* Bei den Klientinnen und Klienten von Refugio München liegt der Anteil von Folteropfern weit höher.
Ziel und Methoden von Folter
Das Ziel von Folter ist oft gar nicht, eine Aussage zu erpressen. Es geht in der Regel darum, den Willen der Menschen zu brechen und ihre Persönlichkeit zu zerstören. Deswegen findet die psychische Folter ebenso Anwendung wie die körperliche. In den letzten Jahren nimmt die psychische Folter sogar stark zu, denn sie hinterlässt keine nachweisbaren Spuren, die man den Folternden zur Last legen könnte. Methoden sind hier Bedrohungen, Scheinhinrichtungen, Isolation, Schlafentzug, Toilettenverbot, Waterboarding, Demütigungen insbesondere sexualisierter Art. Die Menschen verlieren oft nachhaltig das Vertrauen in sich und ihre Mitmenschen. Dies kann in der Folge zu massiven sozialen Problemen führen.
Das Folterverbot muss absolut gelten
In Deutschland kommt es immer wieder zu Diskussionen, ob nicht in Ausnahmefällen die Androhung der Folter oder sogar deren Ausübung zur Abwehr einer Lebensgefahr gerechtfertigt wäre (siehe Entführungsfall Jakob von Metzler 10/2002). Eine solche Relativierung ist gefährlich und unbedingt abzulehnen. Denn jede Überzeugung würde für sich in Anspruch nehmen, gerecht zu handeln und in ihrer Logik nur zu foltern, wenn es auch gerechtfertigt wäre. Die Geschichte lehrt uns, dass sich viele Systeme zu Unrecht dieses Recht angemaßt haben. Deswegen ist das Folterverbot absolut und das verfassungsmäßige Recht auf körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 GG) ein unveräußerlicher Wert.
* vgl. Nordström & Persson, 1988; Montgomery & Fodspang, 1994; Jacobsen & Vesti, 1990.